4-Ohren-Modell: Wie gute Kommunikation im Job wirklich funktioniert

Kommunikation spielt im menschlichen Leben eine tragende Rolle. Wie Sie mit Ihrer Familie, Ihren Freunden, den Kollegen, Kunden, Geschäftspartnern und Vorgesetzten kommunizieren, entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg Ihrer Ziele. Kommunikationsfähigkeit ist ein wichtiger Soft Skill für eine steile Karriere. Gleichzeitig verspricht sie eine glücklichere Ehe und mehr Beliebtheit im sozialen Umfeld. Wer richtig kommuniziert, kann seine Bedürfnisse, Meinungen und Wünsche optimal ausdrücken und so transportieren, dass das Gegenüber diese versteht sowie bestenfalls mitträgt. Kommunikationsfähigkeit umfasst zudem die Gabe des Zuhörens. Genau hiermit haben aber viele Menschen ein Problem. Denn wie „richtiges“ Zuhören funktioniert, beschreibt ein echter Klassiker der Kommunikationstheorie – das „Vier-Ohren-Modell“ – welcher leider immer mehr in Vergessenheit gerät.

Das „Vier-Ohren-Modell“ beschreibt, wie richtiges Zuhören funktioniert

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild: Arbeits-abc.de/https://www.canva.com/de_de

Inhalt
1. Die narzisstische Fehlentwicklung der westlichen Gesellschaft
2. Viele Menschen hören nicht einmal mit zwei Ohren zu
3. Vier-Seiten-Modell: Warum jeder Mensch vier Ohren haben sollte
4. Fall 1: Blaues Ohr – Sachebene
5. Fall 2: Grünes Ohr – Selbstoffenbarung
6. Fall 3: Gelbes Ohr – Beziehungsebene
7. Fall 4: Rotes Ohr – Appell
8. Mit vier Ohren hören Sie besser – und mit vier Schnäbeln spricht es sich klarer

Die narzisstische Fehlentwicklung der westlichen Gesellschaft

Zuhören ist eine Eigenschaft, die Männern in unserer Gesellschaft immer wieder spaßig abgesprochen wird. Ein Blick auf die Realität ist aber weniger lustig: Tatsächlich sind es nicht nur die Männer, welche das Zuhören verlernt haben. Auch die Frauen scheinen über diese Gabe in erschreckend geringem Maß zu verfügen. Es handelt sich also nicht um eine Geschlechterfrage, sondern die gesamte westliche Gesellschaft scheint ein Problem zu haben. Das liegt einerseits an der zunehmend digitalen Kommunikation. Andererseits auch an der narzisstischen Prägung, welche sich nicht nur hierzulande mehr und mehr in der Gesellschaft ausbreitet.

 

Die Menschen sind also zunehmend „Ich“-fokussiert und zeigen dadurch sinkendes Interesse an ihrem sozialen Umfeld – sei es beruflicher oder privater Art. Die Zeiten, in welchen als Großfamilie noch mehrere Generationen unter einem Dach lebten und es selbstverständlich war, Freunden und Bekannten in Notsituationen auszuhelfen, neigen sich dem Ende. Stattdessen kümmert sich heutzutage jeder in erster Linie um sich selbst. Vielleicht wird noch mit der Familie geteilt, doch lässt sich auch hier der Trend erkennen, dass zunehmend sowohl Männer als auch Frauen trotz Kindern berufstätig bleiben und ihre Finanzen strikt trennen. Die deutsche Gesellschaft bewegt sich also im „Einzelkämpfermodus“. Doch es soll heute nicht um die aktuelle gesellschaftliche Fehlentwicklung gehen, sondern um eine ihrer Konsequenzen: Wir haben das Zuhören verlernt.

Viele Menschen hören nicht einmal mit zwei Ohren zu

Immer mehr Menschen jagen also ihren individuellen (Karriere-) Zielen oder materiellen Werten nach. Sie sind stets im Stress, dank Smartphone & Co dem Multitasking verfallen und – wenn sie einmal ehrlich zu sich selbst wären – eigentlich vollkommen vereinsamt. Die zunehmende Entfremdung von sich selbst führt nämlich auch dazu, sich nicht mehr auf ein Gegenüber einlassen zu können. Für ehrliche menschliche Beziehungen bleibt schlichtweg keine Zeit mehr – oder keine Energie. Denn eine tiefe Bindung zu einem Menschen aufzubauen, sei sie beruflicher, privater oder sogar liebender Art, braucht in erster Linie Kommunikation. Kein Wunder, dass viele Arbeitgeber vor allem nach Arbeitnehmern mit einer hohen Kommunikationsfähigkeit suchen, denn diese ist zu einem seltenen Gut geworden.

 

Ihre Kommunikationsfähigkeit zu üben, kommt aber nicht nur Ihrer Karriere zugute, sondern auch Ihrem Sozialleben im Allgemeinen. Ihr Gegenüber wird es nämlich merken, wenn Sie wirklich zuhören und das Gesagte zu verstehen versuchen. Eine Seltenheit, welche Sie direkt sympathisch macht und dadurch auch garantiert beliebter.

Viele Menschen hören nicht einmal mit ihren zwei Ohren richtig zu. Sie schweifen stattdessen mit ihren Gedanken ab oder denken darüber nach, was sie als Nächstes sagen möchten. Wenn Sie also Ihrem Gesprächspartner Ihre Aufmerksamkeit schenken, ist das bereits eine echte Rarität in unserer heutigen Zeit. Doch wussten Sie, dass Sie gemäß Kommunikationstheorie nicht nur mit zwei, sondern sogar mit vier Ohren zuhören sollten? Was es damit auf sich hat, möchten wir Ihnen folgend verraten.

Vier-Seiten-Modell: Warum jeder Mensch vier Ohren haben sollte

Es handelt sich um das sogenannte Vier-Seiten-Modell, auch bekannt als Vier-Ohren-Modell oder Kommunikationsquadrat. Der im Jahr 1944 geborene deutsche Psychologe Friedemann Schulz von Thun entwickelte diese Theorie im Rahmen seiner Tätigkeit als Autor, Professor und Coach. Das Vier-Ohren-Modell obliegt der Annahme, jede Äußerung eines Menschen könne auf vier verschiedene Art und Weisen interpretiert werden. Einerseits verpackt der Sender in seiner Nachricht also vier unterschiedliche Informationen. Andererseits neigt auch der Empfänger dazu, diese auf vier verschiedenen Wegen zu interpretieren. Dadurch entstehen nicht nur im Berufsleben allerhand Missverständnisse. Die „vier Ohren“ sind im Modell:

  1. Das „blaue“ Ohr auf der Sachebene, welches die geäußerten Daten und Fakten objektiv aufnimmt sowie interpretiert.
  2. Das „grüne“ Ohr der Selbstoffenbarung, welches das Gesagte als eine persönliche Botschaft des Senders auffasst.
  3. Das „gelbe“ Ohr der Beziehungsebene, welches das Gesagte abhängig von der Beziehung zwischen Sender und Empfänger interpretiert.
  4. Das „rote“ Ohr als Appell, welches die Aussage des Senders als Aufforderung annimmt.

Wie bereits erwähnt, können sich der Sender und der Empfänger auf verschiedenen Ebenen beziehungsweise „Ohren“ bewegen. Während der Sender also vielleicht eine reine Sachinformation weitergibt, interpretiert der Empfänger diese als Aufforderung. Da sind Konflikte geradezu vorprogrammiert. Zum besseren Verständnis ein kurzes Beispiel. Nehmen wir an, der Sender sagt:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember.

Wie könnte der Empfänger diese Nachricht nun gemäß der vier verschiedenen Ohren interpretieren?

Fall 1: Blaues Ohr – Sachebene

Eine Aussage enthält in der Regel eine Sachinformation. Es geht also darum, das wortwörtlich Gesagte als solches zu verstehen und auf neutrale, objektive und sachliche Art und Weise zu interpretieren – beziehungsweise überhaupt nicht. Auf den ersten Blick klingt dieses blaue Ohr als das „beste“ Ohr. Schließlich ist es frei von Missverständnissen und falschen Interpretationen. Das wäre es auch, würde der Sprecher stets auf der Sachebene agieren. Dann würde er tatsächlich die Information zur Deadline durchgeben und der Empfänger würde eben das verstehen:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember.

Was aber, wenn der Sender der Nachricht tatsächlich eine tieferliegende Botschaft senden möchte, wie:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Das wird langsam knapp, deshalb müssen wir uns beeilen.

Wenn der Empfänger dann nur mit dem Kopf nickt und sich anschließend wieder einer anderen Aufgabe widmet, entsteht daraus schnell ein Konflikt. Es gibt daher keine „besseren“ oder „schlechteren“ beziehungsweise „richtigen“ oder „falschen“ Ohren.

Fall 2: Grünes Ohr – Selbstoffenbarung

Nehmen wir die Selbstoffenbarung genauer unter die Lupe. Jeder Mensch sendet und empfängt mit dem Gesagten auch eine persönliche Information. Sie sprechen zum Beispiel nur über Dinge, welche für Sie Relevanz haben. Daraus lässt sich ableiten, wo Ihre Interessen liegen und wo nicht. Gleichzeitig geben Sie Emotionen, Meinungen oder Wünsche preis. Vielleicht verurteilen Sie andere Menschen für deren Taten oder Sie fühlen sich schnell gekränkt. All das sind ganz individuelle Züge Ihrer Persönlichkeit, welche sich durch Ihre Kommunikation wie ein Puzzle zusammensetzen. Und eben diese Eigenheiten Ihres Charakters bestimmen auch darüber, wie Sie eine Konversation interpretieren. Nehmen wir an, Sie sind ein Mensch, der unter Versagensängsten leidet und sich schnell unter Druck gesetzt fühlt. Sie würden im genannten Beispiel auf dem grünen Ohr verstehen:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Sie arbeiten zu langsam. Wenn Sie sich nicht anstrengen und die Deadline einhalten, ist Ihr Job in Gefahr.

Der Sender der Botschaft ist aber vielleicht ganz zufrieden mit Ihrer Arbeit. Er ist hingegen ein Mensch, der Konflikten gerne aus dem Weg geht und stets als Mediator eingreifen möchte. Er meinte daher:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Es gibt keinen Grund, sich darüber zu streiten. Wir liegen doch alle gut in der Zeit und sollten uns daher wie ein Team verhalten.

Wenn Sie also ab sofort genauer auf Ihre Konversationen achten, können Sie wichtige Erkenntnisse über die tieferliegende Persönlichkeit gewinnen – sei es bei Ihrem Gegenüber oder bei sich selbst.

Fall 3: Gelbes Ohr – Beziehungsebene

Viel lernen können Sie auch über die Beziehungsebene der Gesprächspartner. Wie Sie auf Aussagen reagieren und diese interpretieren, hängt stets von der „Vorgeschichte“ zwischen Ihnen und dem Gegenüber ab. So werden Sie Ihrer besten Freundin eine Aussage vielleicht nicht krumm nehmen, dafür aber Ihrem untreuen Ex-Freund – einfach nur, weil Sie zu der einen Person eine positive und zu der anderen eine negative Beziehung pflegen. In diesem Beispiel würden Sie auf dem gelben Ohr vielleicht folgendes verstehen, wenn die Beziehung zum Sender gut ist:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Klasse, dass Sie so gut in der Zeit liegen. Kann ich Sie vielleicht irgendwie unterstützen?

Ist Ihre Beziehung hingegen negativ angehaucht und Sie gehen davon aus, dass es der Sender mit Ihnen nicht allzu gut meint, interpretieren Sie unter Umständen das Folgende:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. War ja klar, dass Sie das wieder nicht rechtzeitig schaffen. Offensichtlich sind Sie nicht einmal in der Lage, selbst die Deadline in Erfahrung zu bringen. Wusste ich doch, dass ich der bessere und klügere Mitarbeiter bin.

Der Sender ist Ihnen gegenüber vielleicht aber einfach neutral eingestellt und meinte die Nachricht wie folgt:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Ich finde es super, dass Sie bis jetzt so flott und zuverlässig gearbeitet haben. Bitte lassen Sie nun aber nicht nach, dann schaffen wir den Termin ohne Probleme.

Fall 4: Rotes Ohr – Appell

Das Wort „Bitte“ läutet das rote Ohr ein. Viele Menschen tragen Wünsche oder einen Appell nämlich nicht auf der Sachebene vor, sondern als versteckte Botschaft hinter ihrer Aussage. Wenn die Frau sich bei ihrem Partner beschwert, dass er „schon wieder“ zum Fußball geht, appelliert sie indirekt an ihn, doch lieber mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Menschen, die mit dem roten Ohr hören, gehen deshalb stets davon aus, dass hinter dem Gesagten eine Aufforderung steckt. In diesem Beispiel könnte diese sind:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Bitte beeilen Sie sich!

Der Sender könnte aber stattdessen gemeint haben:

Die Deadline für das Projekt XYZ ist am ersten Dezember. Es wäre deshalb jetzt an der Zeit, einen ersten Zwischenstand zu präsentieren. Ich warte auf entsprechende Informationen.

Mit vier Ohren hören Sie besser – und mit vier Schnäbeln spricht es sich klarer

Sie sehen: Zwischenmenschliche Kommunikation ist deutlich komplexer, als Sie vielleicht angenommen haben. Selbst, wenn Sie zu den Ausnahmen gehören, die heutzutage überhaupt aufmerksam zuhören, bedeutet das noch lange nicht, dass Sie das Gesagte richtig interpretieren. Ein klassisches Beispiel ist auch folgendes:

  • Sachebene: Die Ampel ist grün.
  • Selbstoffenbarung: Ich habe es sehr eilig.
  • Beziehung: Ich bin dir überlegen.
  • Appell: Fahr jetzt los!

In den meisten Fällen spricht ein Mensch nicht nur auf einer, sondern gleich auf mehreren Ebenen. Gleichzeitig hört und versteht der Empfänger mit verschiedenen Ohren. So entsteht schnell ein Wirrwarr aus Missverständnissen, unterschwelligen Botschaften und Fehlinterpretationen, die zu Konflikten führen können. Macht Ihr Chef Sie beispielsweise fünf Mal darauf aufmerksam, dass Sie zu spät sind und Sie antworten jedes Mal nur auf der Sachebene mit „Stimmt“, könnte er mit der Zeit sehr wütend werden. Er wünscht sich nämlich eine Entschuldigung Ihrerseits sowie das Versprechen, in Zukunft mehr auf Ihre Pünktlichkeit zu achten. Üben Sie sich also ab sofort darin, Ihre Interpretationen des Gesagten auf deren Richtigkeit zu überprüfen – und sich selbst möglichst deutlich auszudrücken, indem Sie einen „Schnabel“ bewusst wählen, ohne Andeutungen, unterschwellige Appelle & Co.

Welche weiteren Maßnahmen kennen Sie, um die eigene Kommunikationsfähigkeit zu verbessern? Inwiefern haben Sie bereits Erfahrungen mit den vier Ohren oder den vier „Schnäbeln“ gemacht? Vielen Dank für Ihren Beitrag in den Kommentaren!

 

Source:  https://arbeits-abc.de/vier-ohren-modell/

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