Europa – Vielleicht so?

Naive Ansichten eines Europäischen ‚Übersiedlers‘ ohne politischen Hintergrund oder Anspruch auf Vollständigkeit oder Professionalismus

Ein anderes Europa

Wir sind alle manipulierbar. Viele Europäer – und Nichteuropäer – glauben, dass Europa heute nicht funktioniert. Sie haben wahrscheinlich Recht. Europa ist kompliziert. Ein sehr ambitiöses Unternehmen und Abenteuer. Die Europäischen ‚Instanzen‘ sind sehr kompliziert und für einen ‚normalen‘ Bürger fast unbegreiflich. Natürlich gibt es einen Grund für diese Komplexität, für all diese Schwierigkeiten in Europa. Dagegen kann man jedoch etwas tun. Es wird lange dauern, bis Ergebnisse auf Verbesserung sichtbar werden. Vielleicht sogar sehr lange. Jedoch machbar. Mit etwas gutem Willen, Energie, Intelligenz und Geduld.

Viele Europäische Politiker vergessen, dass sehr viele Menschen Angst vor Unbekanntem haben. Angst vor dem Anderen, dem Ausländer. Der in einem anderen Land lebt, der eine andere Kultur, andere ‚Sitten‘ und Ansichten und Glauben hat. Und wenn nicht Angst, sodann doch ein gewisses Mistrauen oder zumindest nicht so viel Vertrauen wie jemandem gegenüber, der von Geburt an im selben Land wie jemand selbst wohnt. Der ‚hier‘ aufgewachsen ist und der dieselbe Kultur hat. Was auch immer dieselbe ‚Kultur‘ ist. Und in Europa gibt es heute 28 Mitgliedsstaaten. Mit sehr vielen verschiedenen Sprachen, Kulturen, Ansichten, Hintergründen, Geschichte und Traditionen.

Ich bin in Deutschland geboren, habe dort die ersten 28 Jahre meines Lebens verbracht und wohne seit über 20 Jahren in der südlichen Hälfte Belgiens. Der Wechsel war interessant, die ‚kulturellen‘ Unterschiede zu Deutschland sind vielfältig, zahlreich und aufschlussreich. Die Unterschiede sind teilweise sehr ausgeprägt und lassen eine ‚Schengen-Landesgrenze‘ zwischen Belgien und Deutschland manchmal virtuell aussehen wie eine sehr hohe Mauer aus Beton. Vor allem zwischen Süd-Belgien und Deutschland. Diese Unterschiede treffen sehr wahrscheinlich für viele Länder innerhalb Europas zu. Auch wenn viele Menschen – vielleicht insgesamt jedoch weniger zahlreich als noch vor ein paar Jahren – sich als Europäer fühlen, so fühlen die meisten ‚Europäer‘ sich wohl zuerst als Einwohner des Landes, in dem sie geboren und aufgewachsen sind und in dem sie leben. In dem ihre Eltern geboren wurden.

Viele Europäischen Politiker und Funktionäre scheinen diese Unterschiede regelmäßig zu vergessen oder zu unterschätzen. Sie scheinen vielmehr zu denken, dass die meisten Europäer so wie sie selbst an Europa glauben, mit einem Europäischen ‚Virus‘ angesteckt. Das ist jedoch wohl nicht unbedingt der Fall. Wenn dies stimmt, so erklärt dies einen Teil der Skepsis vieler Europäer gegenüber den Europäischen Instanzen, Europäischen Politikern, Europäischen Amtsinhabern und Beamten. Zum Beispiel haben die lang andauernden Verhandlungen über die Griechischen Schuldenkrise seit 2008 und entsprechenden Lösungsansätze der Öffentlichkeit kein brillantes Bild der ‚Europäischen Einheit‘ und Kapazität Europäischer Politiker gezeigt. Viele Europäer wurden durch die öffentlich gezeigten schleppenden Verhandlungen noch in ihrem Glauben bestätigt, man müsse sich doch immer vor ‚anderen Europäern‘ in Acht nehmen: Die anderen könnten ja schummeln, die ‚Wahrheit‘ verformen, beschönigen, oder sogar lügen – und man werde manchmal selbst persönlich zur Kasse gebeten für dieses Schummeln!

Und oft vergessen viele, dass Europa zunächst wirtschaftlichen Zwecken dienen sollte: Eine große gemeinsame Freihandelszone, ohne Grenzen und Zölle für freien Güterverkehr, mit großer Kaufkraft.

Massenmedien und Prime Time

Dabei wäre es doch so einfach eine Europäische Identität zu bilden! Auch wenn die vielen verschiedenen Sprachen in Europa (überhaupt) nicht helfen, so könnte man doch viel tun, damit sich die Europäer näher und ‚vereinter‘ fühlen. Die Medien und vor allem das Fernsehen spielen dabei eine große Rolle. Warum nicht zum Beispiel in die Massen-Fernseh-Prime-Time investieren – anstatt in Arte, das nur sehr wenige Europäer schauen? Wir brauchen regelmäßige Sendungen Eurocops-Krimis, Spiel ohne Grenzen, Spielfilme, Dokumentarfilme und Europäische Musik-Charts. Und einen Europäischen Filmpreis. Und all das sehr regelmäßig ausgestrahlt zur Prime Time (und nicht erst ab spät abends wenn die Einschaltquoten niedrig sind), anmachend‘, modern, positiv, interessant, mitreißend, abwechslungsreich, spannend, positiv, von den besten Autoren, Regisseuren und Produzenten erdacht und in Szene gesetzt. Übersetzt in alle Europäischen Sprachen – ja das kostet Geld, ist aber sehr wichtig.

Die Idee ist nicht Europäische Stereotypen pro Land oder Region zu zeigen oder zu unterstreichen.  Vielmehr geht es darum regelmäßig aufzuzeigen, wie interessant und abwechslungsreich Europa und alle Mitgliedsländer sind, wie viel Schönes es zu zeigen und zu erleben gibt. Da kann man schöne Landschaften zeigen, sportliche Leistungen, intelligente Denker und Forscher zu Wort kommen lassen, die neuste mitreißenden Musikhits präsentieren, Filme, Austausch und Zusammenarbeit.

Ja, es gibt heute schon Informationen im Fernsehen über Europäische Kulturen. Dokumentarfilme über die Mitgliedsstaaten, die einzelnen Länder. Aber oft nicht zur prime Time, und deswegen oft von vielen nicht gesehen.

Während ich ein absoluter Gegner von Telerealitäten im Fernsehen bin, ich könnte mir vorstellen, dass eine Schwedische Familie in einer Telerealitäts-Sendung recht viel ‚Nützliches‘ über den Alltag in Österreich lernen könnte, die Österreichische Kultur, Ansichten, Gedankenansätze, – egal ob diese verschieden oder ähnlich wie in Schweden sind!

Auf den Internetseiten Europäischer Medienanstalten und Pressehäusern sollte es eine ‚Europasparte‘ auf der Homepage geben, in der Interessantes und Wissenswertes (nicht Sensationsjournalistisches!) gelistet werden sollte. Das wäre vielleicht auch ein guter Ort um regelmäßig kurz und klar zusammenzufassen, was die Europäischen Instanzen, Politiker, Beamte und Abgeordnete des Parlaments alles an Gutem erreicht haben für uns Europäer: Privatdatenschutz, Verbot von schädlichen chemischen Substanzen, Etikettenpflicht für Lebensmittelverpackungsinhalte, Firmen-Monopolverhinderungen, Aufdeckung, Bestrafung und Verhinderung von illegalen Preisabsprachen, Menschenrechtsgesetzgebung, Unterstützung von Forschung und Technik, Subventionen für gewisse Projekte, Abschaffung von Roaming-Gebühren, Begrenzung von Bankkosten für Zahlungsmittel, usw.

Ja, es gibt heute schon regelmäßig Informationen über was in den Europäischen Ländern geschieht. Aber oft ist das entweder über Stereotypen oder über bizarre Vorfälle.

Sprache, Lernen und Schule

Parallel, könnte in der Schule ein ‚richtiger‘ ‚Europaunterricht‘ durchgeführt werden. Außer dem Minimum an Hintergrund, Geschichten über das warum, wohin, usw. sollte man Schülern viele Stunden pro Woche interessante Informationen anbieten: Welches Europäische Land war oder ist erfolgreich in welcher Situation, in welcher Sparte? Wie arbeiten Europäische Länder für welches Problem miteinander? Europäischer länderübergreifender Informationsaustausch, Forschung und Technik. Wie sind andere Länder in Europa ein Problem angegangen? Wie haben sie es gelöst? Was kann man davon lernen? Wie hat das Europa profitieren lassen?

  Schüler, Lehrlinge oder Studenten sollten generell sechs bis 12 Monate in einer Schule, Ausbildungsstelle oder in einer Universität in einem anderen Europäischen Land verbringen. Kostenlos, d.h. von Europäischen Steuergeldern bezahlt.

Und warum nicht an der Schule als Pflichtfach als erste Fremdsprache eine Universalsprache wie Esperanto einführen? Warum nicht regelmäßig Videokonferenzen mit Schülern in einem anderen Europäischen Land organisieren? Warum nicht über das Internet Zusammenarbeitsplatformen für Schulen entwickeln, die eine Grenzen übergreifende Zusammenarbeit von Schülern (und Lehrern?) ermöglicht? Und warum nicht von Schülern in Schulaufgaben abfragen, was sie von einem europäischen ‚Mitschüler‘ in einem anderen Land über das Internet über dessen oder deren ‚Alltag‘ gelernt haben?

 

Und vieles mehr

Ich bin sicher, dass es noch so viele zusätzliche andere Möglichkeiten gäbe, das Projekt Europa zu ‚stimulieren‘ zu forcieren, zu promovieren, zu ‚boosten‘, zu unterstützen, wachsen zu lassen, voranzutreiben. Und wenn wir dann einmal mehr innereuropäisches Verständnis, Achtung, erreicht haben, mehr Zusammenhalt, mehr Teamgeist, Zusammenarbeit, Schätzung, Begeisterung, Positivismus, – dann können wir vielleicht das Project Verständnis und Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt ‚in Angriff‘ nehmen? Oder vielleicht sollten wir nicht bis dahin warten, sondern schon heute damit parallel beginnen! ;o)

 

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