Selbstoptimierung: Warum wir unser Streben nach Glück überdenken sollten

Was wirklich zählt

Höher, schneller, weiter: Lohnt sich das ständige Streben nach Glück?

Eine Frau lacht fröhlich im Konfettiregen.

Glücklich sein – das ist es, was sich viele Menschen mehr als alles andere wünschen.
© Pricilla du Preez / Unsplash

Glück ist so ein Schlagwort, mit dem jeder von uns etwas anderes verbindet. Eines aber haben viele Menschen gemeinsam: Sie streben nach dem, was sie als das "große Glück" definieren. Leider geht auf dem Weg dorthin oft das Wesentliche verloren.

Glück ist ein Menschenrecht. Nicht umsonst ist “Pursuit of Happiness“ – also das “Streben nach Glück“ – ein fester Bestandteil der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Es ist also unser gutes Recht, unser Leben so zu gestalten, dass wir glücklich sind.

 

Zumindest in der Theorie. Denn in den USA sehen wir, dass es ziemlich viele Grenzen für das versprochene grenzenlose Glück zu geben scheint: Rassismus, eine katastrophale Gesundheitsversorgung und eine immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich.

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Die große Geschichte des “Amerikanischen Traumes“ hält sich trotzdem wacker – denn wir Menschen streben gerne nach dem Glück. Und das ist kein amerikanisches Phänomen – weltweit ist das Glück für uns etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

 
 

Was genau das eine große Glück sein soll, das ist von Mensch zu Mensch allerdings unterschiedlich. Mal versprechen wir uns Glück von unserem Karriereziel, mal von der Gründung einer Familie – oder von der lang ersehnten Weltreise.

 

 

Was bedeutet Glück überhaupt?

In der Psychologie beschreibt Glück das Gefühl absoluter Harmonie. Es wird erreicht, wenn bestimmte Erwartungen und Bedürfnisse erfüllt werden. Für viele von uns ist Glück aber etwas Größeres.

Wir verbinden es oft noch immer mit dem Traum von einer anhaltenden Zufriedenheit. Die gibt es in der Form aber nicht. Das stellt uns vor ein Problem: Wenn wir unserem vermeintlich großen Glück ständig hinterherjagen, dann übersehen wir das, worauf es letztlich wirklich ankommt: die kleinen Freudenmomente.

 

Das unbeschwerte Lächeln unserer Kinder, der beeindruckende Sonnenaufgang am Morgen, die kleine aufregende Flirterei in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit – die Liste könnte man unendlich weiterführen.

 

All das verlieren wir aus den Augen, wenn wir ständig das eine große Ziel namens “Glück“ im Kopf haben. Dabei wusste schon Wilhelm Busch, dass das “Glück oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen entsteht, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge.“

 

Vom Rennen und Übersehen

Das Problem ist häufig also nicht unser Bemühen darum, glücklicher zu werden, sondern der Weg, den wir dafür glauben, einschlagen zu müssen. Wir rennen ins Fitnessstudio, weil wir denken, ein gut trainierter Körper sorge für Freudensprünge vor dem Spiegel und verschaffe uns die wohltuende Anerkennung anderer.

Wir lesen Ratgeber über Selbstliebe, Achtsamkeit und Lebensführung, weil wir davon ausgehen, dass uns diese Tipps näher zur gerne propagierten "besten Version unserer selbst" bringen – und als solche kann man doch nur glücklich sein. Und wir versuchen, die Karriereleiter so schnell hochzuklettern, wie es nur geht. Weil viel Geld viel Freiheit bedeutet – und damit bestimmt auch mehr Glück, oder?

Und wenn wir so rennen, gemeinsam mit allen anderen, die es gewohnt sind, zu rennen, vergessen wir, auch mal anzuhalten und uns zu fragen, ob das eigene Leben nicht eigentlich schon gut so ist, wie es ist. Brauchen wir unbedingt ein Sixpack, einen perfekten Charakter und ein dickes Bankkonto?

 

Oder würde es uns nicht viel besser gehen, wenn wir zufrieden mit uns wären und uns auf unsere Familie, unsere Freunde und die Dinge konzentrieren, die uns Spaß machen? Dinge, die wir nicht machen, weil wir uns davon etwas versprechen, sondern einfach, weil wir Lust darauf haben.

 

Was, wenn ich das Glück finde?

Ja, Geld macht sorgenfrei – aber eben allein nicht glücklich. Sport hält uns fit und unterstützt unsere Gesundheit, aber dafür braucht es kein Sixpack. Und was unsere Persönlichkeit angeht: die profitiert viel mehr von gesunder Selbstreflexion und Selbstakzeptanz, als von etlichen Pseudo-Ratgebern zur Selbstoptimierung da draußen.

Und wer jetzt den Traum vom großen Lebensglück am Ende eines steinigen Weges platzen sieht, der darf sich gerne einmal eine Frage stellen: Was ist eigentlich, wenn ich dieses große Glück, dem ich ständig hinterherjage, irgendwann wirklich erreicht habe? Wenn ich mit einem Sixpack, meiner makellosen Persönlichkeit und jeder Menge Statussymbolen im Portfolio auf meinem Sofa sitze und – ja, und was eigentlich? Zufrieden abtreten kann?

Es gibt dieses Sprichwort: "Der Weg ist das Ziel". Und genau darum geht es auch beim Glück. Ein glückliches Leben ist eine Entscheidung, ein sich stets verändernder Prozess und kein Zeitpunkt, auf den man jahrelang hinarbeitet.

Es geht also vielmehr darum, eine generelle Freude am Leben zu entwickeln, offen für neue Menschen und Erfahrungen zu sein und sich bewusst zu machen, dass das Leben nicht immer ein Zuckerschlecken sein wird. Niemand – wirklich niemand – ist immer happy. Also versuchen Sie es am besten erst gar nicht.

 

Das Glück unserer Eltern

Denn: Wir haben unser Glück nicht wirklich selbst in der Hand, zumindest nicht komplett. Die Hälfte unseres Wohlbefindens haben wir schon von unseren Eltern in die Wiege gelegt bekommen, 10 Prozent werden durch äußere Rahmenbedingungen bestimmt – also bleibt uns ein Einflussbereich von 40 Prozent.

Das ist natürlich ein nicht zu unterschätzender Spielraum, aber wir werden mit unglücklichen Eltern nicht plötzlich zum Glücksbärchen mutieren, weil wir beschließen, glücklich zu sein.

 

Trotzdem können wir mit der Entscheidung einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gehen. Wenn wir zum Beispiel psychisch krank sind oder andere Probleme zu bewältigen haben, dann kann uns der Glaube an die Chance auf ein glückliches Leben eine elementare Sache geben: Hoffnung. Und die ist gerade in schweren Zeiten – wie wir sie gerade unweigerlich erleben ­– bares Gold wert.  

Das große Glück ist am Ende vielleicht nur ein Märchen, das wir uns selbst gerne erzählen. Glücklich werden wir mit diesem Ideal allerdings selten. Denn eine perfekte Welt oder den perfekten Zeitpunkt, um endlich glücklich zu sein, den wird es nicht geben. Glück lässt sich nicht planen oder anpeilen, wir können aber anfangen, ein glückliches Leben zu führen, indem wir unsere Perspektive ändern.

Ein paar Ideen für den Anfang: Schätzen Sie wert, was Sie haben. Sorgen Sie gut sich selbst und für Ihren Körper, zum Beispiel mit regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung (überwiegend nicht ausschließlich – Schokolade macht schließlich auch glücklich). Trauen Sie sich, ein authentisches Leben zu führen und für Ihre Bedürfnisse und Träume einzustehen. Und – das Wichtigste zum Schluss: Verbringen Sie so viel Zeit wie möglich mit Menschen, die Ihnen guttun.

 

 

Was macht mich glücklich?

Ob sich das Streben nach Glück lohnt, das hängt letztendlich von der Art und Weise ab, wie wir an die Sache herangehen. Wenn wir Glück als großes Lebensziel definieren, dem wir hinterherjagen, und währenddessen alles andere aus den Augen verlieren – dann werden wir am Ende unserer Reise (wenn wir denn ankommen) womöglich vor einem großen Scheiterhaufen stehen.

Wenn wir uns stattdessen aber aktiv dafür entscheiden, eine positive Grundeinstellung dem Leben gegenüber einzunehmen, dann haben wir die Chance, viele glückliche Momente zu erleben. Und alle Augenblicke, die weniger glücklich sind als solche zu akzeptieren.

Mehrere Studien konnten zeigen, dass allein die Absicht glücklicher werden zu wollen und die Etablierung von positiven Routinen uns kreativer und produktiver macht. Außerdem stärken wir dadurch unser Immunsystem und beugen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Depressionen vor. Und: Wir leben durchschnittlich nicht nur glücklicher, sondern auch fünf bis zehn Jahre länger.

Bleibt nur eine Frage: Was macht Sie wirklich glücklich?

 

Source:  https://www.stern.de/gesundheit/selbstoptimierung–warum-wir-unser-streben-nach-glueck-ueberdenken-sollten-32646634.html

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